Welche Vorurteile gibt es in unserer Gesellschaft? Wie erleben Betroffene Diskriminierungen und Rassismus? Im Rahmen des Programms Schule ohne Rassismus hat sich die Abschlussklasse des Technischen Berufskollegs (1BK2T) im ersten Schulhalbjahr intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Das Projekt orientierte sich an der eduScrum-Methode, bei der die Schülerinnen und Schüler selbst eine Fragestellung zum Thema entwickeln und komplett eigenständig daran arbeiten. Über den Projektstart wurde bereits hier berichtet.

Nach vier Wochen war es endlich soweit: Alle waren gespannt auf die Präsentationen der Gruppen. Die Fragestellungen hatten sich so vielfältig entwickelt wie die Endprodukte: Eine Gruppe beschäftigte sich mit Diskriminierung im Sport und interviewte dazu beispielsweise eine junge Frauenfußballerin zu ihren Erfahrungen; in einem weiteren Interview berichtete ein Jugendlicher mit ghanaischen Wurzeln von rassistischen Beleidigungen und kulturellen Unterschieden im Alltag. Eine andere Gruppe setzte sich intensiv mit dem Thema (Trans-)Gender auseinander und klärte über den Stand der Wissenschaft, Positionen verschiedener Religionen sowie Vorurteile auf. Drei Schüler berichteten von der grausamen deutschen Kolonialgeschichte in Afrika und den spürbaren Folgen bis heute. Ebenfalls aufschlussreich ist der entstandene Blog zum Thema Meinungsmache und Bots in sozialen Medien sowie der Selbstversuch einiger Schüler, in unterschiedlicher Kleidung auf die Straße zu gehen und Menschen nach ihren ersten Eindrücken und Vorurteilen zu fragen. Eine außergewöhnliches Produkt war schließlich ein Computerspiel, in dem man als Mitarbeiter eines Arbeitsamtes Jobs vergeben muss und auf strukturellen Rassismus aufmerksam gemacht wird.

Das Fazit der Klasse zum Thema fiel gemischt aus: Es wurde deutlich, dass Rassismus und Diskriminierung in Deutschland sehr weit verbreitet sind. Durch das Projekt und die Berichte verschiedenster Menschen hatten wir viele Aha-Momente, die uns für das Thema sensibilisierten. Gleichzeitig waren die Schülerinnen und Schüler aber auch der Meinung, dass viele junge Menschen ganz selbstverständlich in einem multikulturellen Umfeld aufwachsen und untereinander wenig Rassismus erfahren.

Die Projektmethode des eduScrums bot der Klasse viel Freiheit für individuelles Arbeiten, was in der abschließenden Reflektion als sehr positiv bewertet wurde. Durch die wöchentlichen Standups wurde der nötige Druck erzeugt, durchgehend an der Fragestellung zu arbeiten und die Fortschritte transparent zu machen. Diese Art des Arbeitens war für einige Schülerinnen und Schüler neu, da oft genug nur das Endergebnis eines Lernprozesses, beispielsweise eine Klassenarbeit, zählt. Nach den Präsentationen stand daher eine große Reflektion an, bei der sich alle kritisch mit ihrem eigenen Arbeits- und Lernverhalten auseinandersetzen sollten. Als Lehrerin gab ich der Klasse ebenfalls ein Feedback über meine Beobachtungen, Erfahrungen und Optimierungsmöglichkeiten für zukünftige Projekte.

Insgesamt können wir eine sehr positive Bilanz ziehen: Die Beschäftigung mit dem Thema Diskriminierung hat uns viele Denkanstöße gegeben und die Methode hat gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler mit Eigenverantwortung im Lernprozess durchaus gut umgehen können.

J. Reiche

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